Die 17-jährige Pauline Tratz geht in die 12. Klasse der Eliteschule des Sports in Karlsruhe. Sie wurde auf dem 3. Platz zur Eliteschülerin des Jahres 2016 ausgezeichnet und verrät uns im Interview, was nach ihrem Abitur noch für sie ansteht.
Wie bist du zum Turnen gekommen?
Ich hatte im Kindergarten eine Freundin, die geturnt hat. Ich war zu der Zeit in einer KISS (=Kindersportschule), in der man sich in vielen Disziplinen spielerisch ausprobieren kann. Bei ihr hatte ich beim Turnen ein paar Mal zugeschaut und das hat mir so gefallen, dass ich da unbedingt auch hin wollte. So kam ich zu meinem Heimatverein. Und kurze Zeit später hat man mich überredet, mich beim Stützpunkt KRK vorzustellen…und dann ging es los. 2x Training pro Woche, drei Monate später 3x Training pro Woche…und so steigerte sich das Pensum langsam.
Heute liegt mein Pensum bei ca. 22 Stunden pro Woche, neben der Schule im G8 Zug.
Was macht dir an dieser Sportart am meisten Spaß?
Eindeutig die Vielseitigkeit!!! Vier Geräte und teilweise völlig unterschiedliche Anforderungen. Einseitig und langweilig wird das eigentlich nie. Hinzu kommt, man hat so viele Möglichkeiten hinzuzulernen…! Es gibt immer neue Ziele, neue Elemente, die man erreichen möchte. Und das Gefühl, wenn man hart gearbeitet hat und es dann tatsächlich gelingt ein weiteres Level zu erreichen und somit den Schwierigkeitsgrad einer Übung zu steigern, ist schon toll und treibt einen weiter an.
Ein gutes Gefühl gibt mir auch unser Teamgefüge bei der KRK. Obwohl Turnen eigentlich eine Individualsportart ist, trainieren und arbeiten wir im Team. Und das nun schon seit über 10 Jahren. Wir wissen um unsere Stärken und Schwächen und nehmen uns an und schätzen uns sehr. Das ist wie Familie und man fühlt sich aufgehoben. Wir stützen uns gegenseitig.
Schule und Sport nimmt wahrscheinlich schon einen Großteil deiner Zeit ein. Bleibt Dir noch ein wenig Zeit für andere Hobbies? Und wenn ja, was machst Du gerne in Deiner Freizeit?
Freizeit ist wirklich das, was ich am wenigsten habe….Aber ich kenne es ja eigentlich gar nicht anders, deshalb macht es mir (meistens) nichts aus. Wenn dann mal ein bisschen Luft ist, finde ich es schön, mich auch einmal mit Leuten zu treffen, die nichts mit dem Turnen zu tun haben…auch wenn wir Turnmädels wirklich gut befreundet sind und auch in unserer freien Zeit viel gemeinsam machen. Der Freundeskreis außerhalb des Turnens hat oft andere Sichtweisen und andere „Gesetzmäßigkeiten“ . Ich merke, da nehme ich eine andere Rolle ein…das kann schon auch einmal guttun. Und ganz klar, gehe in meiner Freizeit mal gerne shoppen, probiere mich in anderen Sportarten aus und besuche nach wie vor gerne meine Großeltern, die leider nicht in meiner Nähe leben.
Wie gelingt es dir Schule, Sport und Hobbies unter einen Hut zu kriegen?
Das frage ich mich auch manchmal! Ist auch nicht immer so einfach, da ich durch die sportbedingten Fehlzeiten in der Schule auch immer noch viel nachzuholen habe und das G8 ist ja sowieso nicht ganz ohne. Aber das Otto-Hahn-Gymnasium hat viel Verständnis und hat mir Lehrer an die Seite gestellt, die mich unterstützen und individuell betreuen, um das Versäumte nachzuholen. Klar, muss man diszipliniert sein und strukturiert. Bei mir gibt es leider kein „nine to five“. Wenn Zeit der Klausuren ist, kann mein „Arbeitstag“ mit Schule, Training und Lernen schon einmal bis zu 15 Stunden dauern. Aber ich will es so. Ich weiß, dass ich etwas erreichen kann, wenn ich mich bemühe. Und da fällt es mir manchmal schwer, etwas lockerer zu sein…und so lerne ich eben, wenn es sein muss auch noch bis 1.00 Uhr nachts. Aber dann muss dafür am Wochenende irgendwas anstehen, wo ich mich dann mit den Freunden „austoben“ kann, als Ausgleich. Und jetzt ist es ja absehbar…Abi ist in diesem Frühjahr, das packe ich nun auch noch.
2016 duftest du als Ersatzturnerin mit nach Rio fahren. Was für ein Gefühl war das für Dich mit Deinen jungen 17 Jahren?
Ich habe mit dieser Nominierung gar nicht mehr gerechnet. Und im ersten Moment war es extrem emotional, da ich wusste, dass es sich zwischen meiner Freundin aus Karlsruhe und mir entscheiden würde…Ich fühlte mich so geehrt und hatte trotzdem auch Mitgefühl mit ihr, da es für sie eben die Absage bedeutete. Letztendlich war aber genau sie es, die mich stärkte und mir als erste persönlich gratulierte. Ab diesem Zeitpunkt war ich wirklich stolz, zumal mir das auch Viele nicht zugetraut hätten. Meine Trainerin, Tatjana Bachmayer, hat aber an mich geglaubt und etwas in mir gesehen, wofür ich sehr dankbar bin. In Rio selbst hatte ich schon ein wenig Sehnsucht …natürlich wäre ich gerne aktiv dabei gewesen. Denn als Ersatzturnerin durfte ich nicht im olympischen Dorf wohnen und durfte auch nicht bei den Wettkämpfen bei meinem Team sein. Aber dennoch war es eine unglaubliche Erfahrung, diesen Spirit im olympischen Dorf zu spüren, das Deutsche Haus zu besuchen und andere Wettkämpfe besuchen zu können. Wirklich bewusst wurde mir das alles erst, als ich wieder Zuhause war. Ich habe Tagebuch geführt, um ja nichts zu vergessen.
Hast Du eigentlich Vorbilder? Und was macht für Dich Erfolg aus oder eine erfolgreiche Persönlichkeit?
Turnerisch bewundere ich natürlich die ein oder andere Athletin aufgrund ihrer Elemente und ihrer sicheren Ausführung, aber wichtig finde ich, dass jeder durch seine eigene Möglichkeiten und dem eigenen Stil seine turnerische Möglichkeiten ausschöpfen sollte. Ich möchte nicht versuchen eine tolle Turnerin zu kopieren oder ihr nach zu eifern, das wäre dann nicht ich .Allgemein gesehen, sind für mich Menschen Vorbilder, die mit sich im Reinen sind. Die ihren Weg gehen, egal ob dieser erfolgs- bzw. leistungsorientiert ist oder einfach zur Verwirklichung ihrer Träume beiträgt. Wichtig ist, dass man versucht in kleinen Schritten seinen Zielen näher zu kommen und authentisch zu bleiben.
Der Besuch einer Eliteschule des Sports bringt sicherlich viel Disziplin mit sich und Verzicht auf Dinge, die andere Jugendliche in Deinem Alter machen können. Wie gehst Du damit um, mehr Zeit in Sport zu investieren als beispielsweise Deine Freunde?
Ich habe das Glück, dass ich über meinen Sport wirklich auch viele gute Freundinnen gefunden habe. Und geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid. Klar, wenn man freitags zu einer Party eingeladen ist, dann gehört man eben zu den ersten, die gehen, da samstags 9.00 Uhr Training ansteht. Zugegebenermaßen ist das nicht immer schön, aber da wächst man rein. Hier und da verpasst man auch eine schulische Exkursion, ein Landschulheim, da es mit dem Trainingsplan nicht wirklich zu vereinbaren ist. Da bin ich schon ein wenig traurig, andererseits gibt mir das Turnen so viel und ich kann auf anderer Ebene auf so viele einzigartige Erlebnisse zurückschauen. Und ehrlich gesagt bin ich ja noch so jung, dass ich bestimmt auch mit meinen Freunden außerhalb des Turnens künftig noch so einiges erleben kann.
Welches Fach macht Dir in Deiner Schule am meisten Spaß?
Wenn ich ehrlich bin, hängt das auch immer ein bisschen vom Lehrer ab…..Aber klar, Sport gehört zu meinen Favoriten.
Deine Turn-Karriere wirst Du vorerst in Deutschland beenden. Ab 2017 startest Du im Team der Universität Los Angeles. Wie bist Du auf die Idee gekommen nach Amerika zu gehen? Was sind Deine Pläne für L.A.?
Eine Freundin aus unserem Bundesliga-Team ging vor 5 Jahren diesen Schritt und zog nach Alaska. Mit ihr stehe ich immer im regen Austausch und das System in den USA machte mich neugierig. Dann erhielt auch eine gute Freundin aus der Nationalmannschaft, Antonia Alicke, ein Angebot aus Chicago. Nun war ich infiziert und ging in den Bewerbungsprozess und schrieb Universitäten in den USA an, die mich aufgrund ihrer Turnteams und der möglichen Studiengänge reizten. Es war nicht ganz einfach und recht langwierig, aber es hat sich gelohnt. Ich finde es einfach toll, seine Leidenschaft mit einer hervorragenden Ausbildung kombinieren zu können. Durch das Stipendium ist man sozusagen rundum versorgt. Ich freue mich darauf, dass ich dort keiner Randsportart mehr angehöre, wie man Turnen trotz der internationalen Erfolge in Deutschland noch bezeichnen muss, sondern einer angesehenen Collegemannschaft, die bei jedem Wettkampf vor 4000 Zuschauern turnt. Ich denke, es ist mit den hiesigen Strukturen einfach nicht zu vergleichen. Es wird spannend.
Mein Ziel ist es, mich in das Team der „Bruins“ der UCLA zu integrieren, mir meinen Platz zu erkämpfen und ganz viele Eindrücke mitzunehmen. Ich möchte Spaß haben, neue Sichtweisen kennenlernen und auch schauen, wie ich alleine mit neuen Gegebenheiten zurechtkomme.
Gibt es dennoch die Möglichkeit für Dich weiter im deutschen Team zu turnen?
Natürlich wird der Trainingsaufbau ein anderer sein wie hier. Aber ich habe mich selbstverständlich mit der Bundestrainerin, Frau Koch, abgesprochen. Meine Stärken sind ja Sprung und Boden. An diesen Geräten ist es natürlich durchaus möglich in den USA noch etwas dazulernen, keine Frage. Natürlich würde es mich sehr freuen, wenn ich weiterhin für internationale Einsätze nominiert würde. Das ist und bleibt etwas, was mich stolz macht.
Danke schön, Eliteschülerin des Sports Pauline Tratz!
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